Christian Wilhelm Ernst Dietrich

Christian Wilhelm Ernst Dietrich

Weimar 1712 – 1774 Dresden


«Fête champêtre im Spiegel der Venus»


Öl auf Leinwand


signiert unten rechts:

«C W E Dietricy fecit 1740» 


Maße: 84 cm x 71 cm o. R.

Der Künstler Christian Wilhelm Ernst Dietrich, auch Christian Guillaume Ernest Dietricy (es gibt eine Variante auch mit „i“), gehört als einer der umfassendsten Maler, Radierer und Kupferstecher seiner Zeit zur ersten Garde der europäischen Kunstschaffenden. Umfassend in Tech- nik wie in Thematik, fand er sehr bald zu eigenständigen Formulierungen, nachdem er zunächst dem Vorbild der Alten Meister gefolgt war. Er pflegte auch eine gewisse Nähe zu Watteau (1684 - 1721), und das vorliegende Bild ist dafür ein Zeugnis.Eine lebendig komponierte Figurengruppe um eine Stein- bank herum belebt eine durch eine Venusstatue im vorderen Hintergrund als herrschaftlich definierte Park- landschaft. Die Figuren bilden eine mittig gesetzte, fast schon quirlige Gruppe, bestehend aus einer vornehmen Dame, die den Betrachter anschaut, einem Galan und drei Kinderfiguren, die durch ihre „paradiesische“ Nackt- heit als Amoretten bestimmt sind. Der Galan zeigt auf die Skulptur, und vermittelt das der rechten Amorette, die der Dame einen Spiegel hinhält. Die mittlere Amo- rette zeigt auf die Dame, die Amorette, die dem Galan über die Schulter lugt, macht auf den Spiegel aufmerksam: Es geht, so zu sagen in einer Art Reigen, um den „Spiegel der Venus“, das Symbol der Sinnlichkeit und der Weib- lichkeit. Mit James Joyce (aus „Finnegans Wake“, 90.20- 22) zu reden: “He is not eluding from the whole of the woman.” Thema ist hier ohne Zweifel eine amouröse Begegnung in der freien Natur, das eine leichte Variante einer seit dem klassischen griechischen Altertum ge- pflegten erotischen Ikonographie zeigt (die ursprünglich auch in Rembrandts „Judenbraut“ vorhanden war). Der Spiegel steht natürlich auch für die Eitelkeit ein.Das Thema gehört zu den weiland überaus beliebten, und es spiegelt in einer unbeschwerten Weise die Lebenssituation der führenden gesellschaftlichen Schichten der Zeit wider. Es ist das Lebensgefühl einer Welt, die in den Wirren der Französischen Revolution unterging. Von dieser hat Talleyrand einmal gesagt, dass derjenige, der sie nicht gekannt habe, nicht ermessen könne, was die Süße des Lebens sei. Das hemmungslos hedonistische Lebensgefühl dieser Zeit ist heute weitgehend verschwunden. Die historischen Zeugnisse eines gesteigerten Lebensgenusses reflektieren auch damalige zeitgenössische Träume, ohne eine „Ersatz“-Funktion für sich zu reklamieren. Man muss aber auch sehen, dass es so etwas heute in Teilbereichen noch gibt, nur nicht in der hoch kultivierten, beinahe ritualisierten Form früherer Zeiten. Da war Lebensgenuss der Kultur zugehörig, was man von heutigen Ausschweifungen nur eher selten behaupten möchte.Das Bild ist von der Gattung her mehrstimmig, hier mischen sich die Pastorale (ländliche Idylle, „Schäferstündchen“) und die fête champêtre (ausschweifende Feier in ländlicher Umgebung) mit symbolischen und allegorischen Figuren. Die Sicht in die Ferne in der linken Bildhälfte ist in dieser Zeit häufig anzutreffen, er weitet das Bildgeschehen, das einen universellen Aspekt bekommt („Così fan tutte“...).

Literatur:Werner Busch: Nachahmung als bürgerliches Kunstprinzip. Hildesheim, New York 1977Gerhard Charles Rump: George Romney. Zur Bildform der Bürgerlichen Mitte in der englischen Neoklassik. Hildesheim, New York 1974Petra Schniewind Michel: Christian Wilhelm Ernst Dietrich. München 2012

Provenienz: Collection C. Perry Snell, St. Petersburg, Florida.


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